Die Bergpredigt auf der Insel

Letzte Woche flog ich nach Taiwan, um an der Berg-Predigt zu partizipieren. Eine der zahlreichen Initiativen des BMWi behandelt das Thema der Erneuerbaren Energien und der Veranwortliche, Hr. Berg, gab eines seiner berüchtigten Seminare. Wortbeiträge anderer seien während der zwei Tage völlig unnötig, das erledige der Herr selbst, so eine Kollegin, die bereits daran teilgenommen hatte. So oder so wird mir Hr. Berg nach der Zeit nur als “der Monologist” in Erinnerung bleiben. Doch kam ich endlich nach Taiwan und hatte Gelegenheit, mir einen Eindruck von der “abtrünnigen Provinz” zu machen.

Vor meinem inneren Auge war Taibei immer ein zweites Shanghai gewesen, voller strahlender moderner Wolkenkratzer, glitzernder Fensterfassaden und modischer Menschen, die im schnellen Schritt durch die engen Straßen laufen. Doch entpuppte sich TWs Hauptstadt eher als ein chinesisches New York mit niedrigeren, grauen Hochhäusern, leicht maroden Fußwegen und gelben Taxis, vermischt mit einer großen Portion HK, das ich in den zahlreichen bunten Leuchtreklamen wiederfand.

Nachdem Ingo Schulz, mein neuer Kollege, der seit vier Wochen die Leitung der Abt. Umwelt übernommen und bereits eine sehr spannende Zeit in der Kammer verlebt hat, verspätet in Taipeh angekommen waren, zog es ihn als studierten Geologen an die rund eine Stunde entfernt liegende Nordküste der Insel, wo es zahlreiche ungewöhnliche Steinformationen und Versteinerungen gibt. Ich erfüllte mir einen Jugendtraum und fuhr mit dem Kollegen, Ho-Se, aus der koreanischen Kammer ins Palastmuseum. Dort wird ein Teil der Kulturschätze ausgestellt, die 1949 vor dem Kommunisten auf die Insel gerettet wurden. Von der Webseite des Museums kann man entnehmen, dass Anfang der 30er Jahre rund 20.000 Kisten mit Gütern aus dem Kaiserpalast und anderen Museen und Archiven vor den Japanern in den Süden transportiert wurden, von denen rund 10 Prozent der schönsten Stücke dann ihren Weg nach Taiwan fanden.

Besonders schön zwischen den unzähligen Bildern, Malereien, Kalligraphien, Porzellan und alten Karten, die Grenzverläufe aus der Qing- und Mingzeit zeigen, ist ein bearbeiteter Stein, der aussieht wie ein großes Stück Schweinefleisch mit Schwarte sowie ein Stück grün-weiße Jade, dem Handwerker die Form von Chinakohl gegeben haben. Ebenso beeindruckend waren aber auch die zahlreichen chinesischen Reisegruppen vom Festland, die sich klar als solche zu erkennen gaben. Sobald sie den Raum betraten, schoben sich diese chinesische Touristen ungefragt in den freien Raum, den andere Besucher vor sich und den Ausstellungsstücken gelassen hatten und diskutierten lautstark über die Qualität der Exponate. Es klang manchmal mehr nach einem Gemüsemarkt am Sonntag morgen, als nach einem Besuch in einem Museum. Und da denke ich mir wieder im Stillen: China – 5.000 Jahre Geschichte, aber nur 30 Jahre Zivilisation.

Was ebenfalls in Taiwan auffällt, ist die große Menge an Rollern, auf denen die Taibeier durch die Stadt sausen, sowie die Tatsache, dass Verkehrsregeln beachtet werden. An Ampeln stehen oft mehr als zwei Dutzend Roller in zwei Reihen und warten auf das grüne Licht, um laut knatternd loszufahren. Obwohl die Straßen und viele Gebäude heruntergekommen scheinen, liegt kaum Müll auf der Straße. Ein Taxifahrer schilderte dazu, dass man mit einer Strafe von TWD 1.500 zu rechnen habe, wenn man dabei erwischt wird, etwas auf die Straße zu werfen. Bringe jemand dies zur Anzeige und habe ein Beweisfoto dabei, so erhalte dieser eine Gebühr von TWB 120,- . In Korea sei dies bereits Gang und Gebe, so Ho-Se. Dort gebe es sogar manche, die dieser Tätigkeit als Freelancer nachgingen und ihren Lebensunterhalt dadurch bestreiten.

Ich frage mich, ob dieses Konzept auch in China einzuführen wäre und wie lange es dauern würde, bis sich die Menschen auf der Straße gegenseitig in die Haare bekämen….

Sehenswert in Taibei sind auch die kleinen Nachtmärkte, auf dem wir ein fantastisches Mangoeis aßen, dessen Mango mir auf der Zunge dahinschmolz, und die vielen, kleinen Bars, die sich in den Gassen hinter den Hauptstraßen angesiedelt haben. Am meisten beeindruckte mich in den Tagen – neben den Ausführungen des Hr. Berg – das Erinnerungsvermögen eines Mitarbeiters des Hotels, in dem wir alle untergekommen waren. Magali Menant, eine Kollegin aus SH, hatte ihr iphone im Taxi liegen lassen. Da weder auf der Quittung eine Taxinummer stand noch jemand ans Handy heranging, hatte sie es mit großem Bedauern über die ganzen verlorenen Informationen abgeschrieben. Dies erzählte sie rund vier Stunden später dem jungen Mann, der vor dem Hoteleingang Gäste in die Taxis wies. Auch er hatte sich die Nummer nicht aufgeschrieben, konnte sich aber noch gut an unsere Gruppe erinnern, die in drei verschiedene Wagen aufgeteilt worden war. Erst ging er mit Magali genau die Positionen der einzelnen Autos beim Einsteigen durch, fragte, in welchem sie gesessen hatte und begann, nachzudenken. Nach zwei Minuten hatte er sich an die Nummer erinnert, rief das Taxiunternehmen an und überreichte der strahlenden Magali nach rund 20 Minuten das Handy, das der Fahrer zurückbrachte.

Ach ja, und da Ingo und ich nach unserer Ankunft in Hongkong einer Verspätung von 3 Stunden ins Auge blicken mußten, waren wir gezwungen, mit einem Taxi in die Stadt hineinzufahren und ein Bier mit Blick auf die Skyline zu trinken. Leider flog der Flieger dann doch irgendwann Richtung BJ ab….

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